Im aktuellen Bayern Mitgliedermagazin ist ein Bericht über die ehemalige Jugendspielerin des VfB Altheim. Leider wurde in diesem Bericht Janas Stationen beim FV Lauda und bei der TSG Hoffenheim erwähnt, aber den großen VfB Altheim wurde leider vergessen. 😉
Hier der Bericht:
DOPPELT IM EINSATZ
Immer bereit für den FC Bayern: Jana Kapes gibt auf dem Platz und am Schreibtisch für den deutschen Rekordmeister alles. Nicht einmal ein Schädeldeckenbruch bremst sie aus, im Gegenteil: 2024 hat die Grenzgängerin große Ziele, im Spiel wie im Büro.
Es passierte bei einem Eckball im gegnerischen Strafraum, Ende März: Jana Kappes wollte an den Ball, rutschte aus – ab
dann verschwimmen die Erinnerungen. Die Leipziger Torfrau war mit ihrem Knie „in meinen Kopf“ gerauscht, und die Formulierung „in meinen Kopf“ statt „gegen meinen Kopf“ trifft es leider nur zu gut. Die Diagnose war Horror: Schädeldeckenbruch. Lebensgefahr. Jana Kappes wurde umgehend operiert, 63 Stiche. Vier Metallplatten stabilisieren jetzt ihre Stirn. Eine Frage stellte sie den Ärzten sowohl vor dem Eingriff als auch unmittelbar nach dem Aufwachen aus der Narkose: „Werde ich je wieder Fußball spielen?“ Fünf Monate nach dem folgenschweren Zusammenstoß stand Jana Kappes, 27, für die FC Bayern Frauen wieder auf dem Platz. Am 20. August führte sie die zweite Mannschaft beim Auftakt der Zweiten Liga als Kapitänin aufs Feld – das 1:1 gegen Weinberg war ihre 200. Partie im Dress der Münchnerinnen und nicht nur wegen der stolzen Zahl eine besondere. Zum Jahresausklang sitzt sie nun in einem Besprechungsraum an der Säbener Straße, blickt auf ein turbulentes 2023 zurück und voller Zuversicht ins neue Jahr voraus. Jana Kappes hat in den vergangenen Monaten viel über das Leben gelernt, sagt sie, vor allem eines: „Es gibt Höhen und Tiefen – aber selbst, wenn man denkt, es geht nicht mehr schlimmer, darf man wirklich niemals den Kopf in den Sand stecken.“ Sie hat an sich geglaubt, hat sich zurückgekämpft – und für 2024 wieder große Ziele im Blick.
Die Geschichte, wie sie zurück ins (Sportler-)Leben gefunden hat, ist nur ein Teil ihrer Vita. Denn sie ist für den FC Bayern in doppelter Rolle aktiv: auf dem Fußballplatz wie im Büro.
Seit drei Jahren arbeitet sie in der Direktion Merchandising im E-Commerce, zudem verteidigt sie in der zweiten Mannschaft und zählte vergangene Saison auch mehrfach zum Kader des Meisterteams von Alexander Straus. Es war eine bewusste Entscheidung, die ihr nicht leichtgefallen ist, als sie ihren Fokus vom Spielfeld an den Schreibtisch verlagerte.
„Aber ich wollte selbstbestimmt entscheiden, was für meinen weiteren Weg das Sinnvollste ist“, sagt sie. „Ich bin froh, dass ich mich beim FC Bayern jetzt in zwei Bereichen verwirk lichen kann.“ Als Grenzgängerin zwischen zwei Welten innerhalb des Clubs lotet sie aus, was alles möglich ist.
Ihre Arbeitstage starten früh im Büro, wenn sie als eine der Ersten an der Säbener Straße loslegt, und sie enden oft spät, wenn sie nach dem Training am Campus noch ein paar Aufgaben erledigt, die wegen der abendlichen Einheiten liegen geblieben sind. Ihr Wille hat sie seit jeher ausgezeichnet, meint sie, schon seit sie als kleines Mädchen ihrem acht Jahre älteren Bruder auf dem Platz nacheifern wollte. Das verdichtet sich in der fünfmonatigen Reha wie in der strapaziösen Doppelrolle. Ihr wird oft die Frage gestellt, ob ihr Tag nicht eigentlich mehr als 24 Stunden brauche, doch die Antwort fällt Jana Kappes jedes Mal aufs Neue leicht: „Mein Leben dreht sich stets um den FC Bayern, ich will hier immer alles geben – und so fühlt es sich nicht schwer an, was ich mache.“
KURIOSE SEITENWECHSEL
Mit 15 kam sie zum FC Bayern, über Hoffenheim von den Junioren des FV Lauda in Baden-Württemberg. Es war ein großer Schritt, ohne die Eltern in eine Stadt wie München zu ziehen, in einer WG mit zwei Teamkolleginnen musste sie schnell lernen, selbstständig zu sein. Gerne erinnert sie sich an Nachmittage an der Säbener Straße, als sie nach der Mittagsbetreuung Zeit mit den damaligen Internatsschülern verbrachte – so stellte sich bald das Gefühl der FC Bayern-Familie ein. Damals wie heute war es die Herausforderung, alles unter einen Hut zu bringen: Schule und Fußball, Büro und Fußball. Jana Kappes feierte in ihrem ersten Jahr ihre Debüts in der ersten und zweiten Mannschaft, zudem holte sie mit den B-Juniorinnen die Meisterschaft. Sie war schnell angekommen beim FC Bayern, und als sie im Verlauf realisierte, dass sie sich in der ersten Mannschaft aufgrund verschiedenster Umstände nicht wie gewünscht etablieren würde, reifte der Entschluss, sich auf das BWL-Studium und die zweite Mannschaft zu konzentrieren. 2019 gewann sie die Meisterschaft in der Zweiten Liga, neben der Deutschen Meisterschaft als Ergänzungskraft der ersten Mannschaft in diesem Jahr ihr größter Erfolg.
Schon während des Studiums schnupperte sie in die Merchandising-Abteilung hinein – und ist dankbar, dass mir die Festanstellung angeboten wurde“. Mitunter kommt es jetzt zu kuriosen Situationen; als beispielsweise im Sommer ein Marketingtag der FC Bayern Frauen anstand, organisierte sie das Fotoshooting hinter den Kulissen, während sie am Ende selbst ins Trikot schlüpfte, um letztlich als Teil des Teams die Seiten zu wechseln. Und als die Frauen nach dem Gewinn der Meisterschaft mit dem Männerteam auf dem Rathausbalkon standen, musste sie auch schmunzeln: Manuel Neuer und Kollegen kannte sie eben auch aus der Perspektive als Mitarbeiterin des Clubs, wenn sie Termine mit Thomas Tuchels Mannschaft umsetzt.
An ihrer Arbeit schätzt sie die Vielfältigkeit und dass sie nicht an einen Schreibtisch gefesselt ist – da kommt die Leistungssportlerin durch, die gerne aktiv sein möchte. Zudem liebt sie es, Verantwortung zu übernehmen. In den Jahren beim FC Bayern hat sie sich sehr verändert, erzählt sie, „ich war sehr schüchtern und habe meistens einfach genau das gemacht, was man mir gesagt hat“, lautet ihr Rückblick. „Aber dann kam ich an einen Punkt, an dem ich sagte, dass ich mein Leben selbst bestimmen und in die Hand nehmen möchte, da wurde mir dann klar, dass ich bei der zweiten Mannschaft und durch mein Studium mehr bewegen kann, als wenn ich bei der ersten Mannschaft den Kaderplatz 16, 17, 18 besetzen würde.“ In ihrem Team hat sie für jede Kollegin immer ein offenes Ohr. „Ich weiß ja selbst, wie man sich gerade als junge Spielerin erst einmal zurechtfinden muss, und da kann ich immer gut helfen.“ Kurioserweise liegen zwischen ihrem ersten und ihrem zweiten Spiel für die erste Mannschaft neuneinhalb Jahre – viel Zeit, nicht zuletzt auch viel Zeit, um Erfahrungen zu sammeln. Zum Hinrundenausklang hat sich die zweite Mannschaft nach einem wackligen Start gefangen; nach Siegen über Teams an der Spitze wie den Hamburger SV oder Gütersloh gibt Jana Kappes für 2024 eine klare Direktive aus: „Abgestiegen wird hier nicht!“
ÜBER 200 FCB-SPIELE
Im Grunde ist sie selbst das Sinnbild der Gesamtentwicklung:
Auch sie musste sich erst wieder fangen. Auf dem Platz trägt sie jetzt immer eine Maske, alles ist abgestimmt mit den Ärzten, sie kann angstfrei auflaufen. Mit ihrer Geschichte möchte sie allen Mut machen, die auch einen schweren Schlag einstecken mussten – „man kann seine Ziele erreichen, wenn man positiv bleibt. Man muss nur auch die nötige Geduld aufbringen.“ In der Reha wurde die Belastung langsam gesteigert, die ersten sechs Wochen durfte sie nichts machen, dann setzten ihr oft Schwindelgefühle zu, es wurde ihr schlecht, und die Koordination zwischen Kopf und Ball war eine große Hürde.
Bis heute spürt sie Wetterumschwünge, aber das steckt sie weg: „Für mich zählt: Ich habe es geschafft und kann wieder auf dem Platz stehen.“ Dass sie die Marke von 200 Spielen im FCB-Trikot knacken konnte, wertet sie als Beleg dafür, „dass ich keine meiner Entscheidungen bereuen muss“.
Das Jahr 2023 hat Jana Kappes noch mehr Bewusstsein für die Gesundheit gelehrt – und Dankbarkeit: „Ich habe ein tolles Team um mich, viele tolle Menschen, die mich unterstützen, als Sportlerin wie neben dem Platz.“ Unmittelbar nach der Verletzung hielten die Spielerinnen der ersten Mannschaft vor der Champions League-Partie bei Arsenal ein Trikot mit ihrem Namen in die Kameras, als Gruß an die Patientin zu Hause auf der Couch, die vor dem Fernseher ein paar Tränen verdrückte. „Die Geste hat mir vielleicht den entscheidenden Push gegeben“, sagt sie. „Es bedeutet mir viel, Teil eines Teams zu sein – auf dem Platz wie im Büro.“ In diesem Sinne geht sie 2024 an: „Das Team ist die Basis für alles. Allein gestaltet sich alles schwieriger.“